Archiv des Autors: Manuela Eitler-Sedlak

3 Fragen | 100 Tage … eine Idee, wie man sein persönliches Glücksempfinden steigern kann.

Es ist nicht einfach nur „Glück“ im Sinne von „Zufall“, ob und wie glücklich wir uns fühlen. Jeder von uns kann eine ganze Menge beitragen, sich selbst glücklicher zu machen. Zugegeben, manchen Menschen fällt das sehr leicht und andere tun sich etwas schwerer damit.

Natürlich haben auch die äußeren Umstände einen Einfluss auf unser Glücksempfinden, aber der ist lange nicht so groß wie wir oft glauben. Wie wir aus der Geschichte wissen, hat es immer wieder herausragende Persönlichkeiten gegeben, die auch unter den widrigsten Umständen ihre Lebensfreude nicht verloren haben. Und die gibt es auch heute immer wieder. Ich denke dabei an Sportler, die trotz schwierigster Verletzungen weiter trainieren, an Menschen aus Kriegsgebieten, die trotz Verfolgung und traumatischer Erlebnisse ihr Lachen nicht verlieren. Ich denke an Kinder, die in problematischen Familienverhältnissen aufwachsen und trotzdem ihren Weg in ein glückliches Leben finden. Ich denke an Menschen mit einer Behinderung, die ihren Alltag mit viel Optimismus und Freude meistern.

Wir haben alle unterschiedliche Ausgangspositionen und Voraussetzungen, aber dennoch haben wir jederzeit die Möglichkeit, uns auf den Weg zu machen. Mit einfachen Schritten können wir täglich dazu beitragen, unsere Weltsicht positiver zu gestalten. Wenn wir bewusst unseren Fokus auf die guten Dinge lenken – und von denen gibt es sehr viele! – dann wird langfristig die Welt um uns herum positiver. Man nennt das auch das „Gesetz der Anziehung“; je mehr der einzelne es schafft, seine Handlungen, Worte und Gedanken in eine positive Richtung zu lenken, umso mehr erfreuliche Dinge werden auf ihn zukommen.

Es nützt in diesem Fall nichts, unseren Kindern, Ehepartnern und Eltern zu raten, ihre Einstellung zu überdenken. Wir können nur bei uns selbst anfangen! Aber alle, die mit uns leben, werden mit Sicherheit die Veränderung wahrnehmen und dadurch angesteckt werden.

Wie geht das jetzt konkret – Handlungen, Worte und Taten?

Ja, ich kann bewusst etwas Gutes tun, mir selbst eine Freude machen oder andere mit meinen Taten erfreuen.

Bei den Worten wird es schon schwieriger – wie viel Jammern, Kritik und negative Aussagen stecken in jeder Unterhaltung, die wir mit unseren Mitmenschen führen?

Besonders schwierig wird es allerdings, wenn es darum geht, unsere Gedanken zu verändern. Wir haben ja oft das Gefühl, dass wir ihnen hilflos ausgeliefert sind. Aber das stimmt so nicht. Auch unsere Gedanken können wir mit ein bisschen Übung steuern und verändern. Zum Beispiel, indem wir immer dann, wenn wir einen negativen Kreislauf wahrnehmen, „Stop“ denken und ganz bewusst durch positive Gedanken ersetzen.

3 Fragen

Dass das Ganze nicht einfach ist, ist mir bewusst. Ich kann aber nur aus eigener Erfahrung sagen, dass es die Mühe wert ist. Was mir auf dem Weg zu einer positiven Weltsicht – und ich bin wie Sie alle immer auf dem Weg – geholfen hat, ist regelmäßiges Schreiben. Durch das tägliche Aufschreiben von positiven Dingen lenken wir unser Bewusstsein auf diese Ereignisse, Erfolge oder einfach wunderschöne Kleinigkeiten. Aus der jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Schreiben haben sich für mich drei Fragen herauskristallisiert, die ich für besonders wichtig halte:

1 | Wofür bin ich dankbar? – Hier und jetzt

 Sonja Lyubomirksy[1] bezeichnet die Dankbarkeit als den „Königsweg zum Glück“. Sie hat in Untersuchungen mit Testpersonen herausgefunden, dass diejenigen Menschen, die täglich fünf Dinge notierten, für die sie dankbar waren, optimistischer und zufriedener mit ihrem Leben waren. In anderen Studien konnte sie auch einen deutlichen Zusammenhang zwischen Dankbarkeit und körperlicher und geistiger Gesundheit nachweisen.

Im Buch „Zuhause“* erzählt Filippa:

 „Ein guter Freund von deinem Papa hat mich vor Jahren auf diese Idee gebracht. Er heißt Udo Überflieger, ist Pilot und kommt viel in der Welt herum. Er hat uns erzählt, dass er immer wieder Briefe an Menschen schreibt, um sich bei ihnen zu bedanken. Er schreibt zum Beispiel an eine hilfsbereite Verkäuferin, einen aufmerksamen Kellner oder einen freundlichen Taxifahrer.“ 

Flo hört gespannt zu. „Und was hat dieser Udo noch erzählt?“

„Er hat mir gesagt, dass man bei solchen Briefen nicht sparsam sein sollte mit Lob und Dankbarkeit, sondern ruhig sehr großzügig damit umgehen kann. Man soll sozusagen nicht einen hauchdünnen Pinsel, sondern einen richtig dicken Malerpinsel tief in den Lobtopf eintunken und ganz dick auftragen.“

Diese Dankbarkeit muss aber nicht an einen bestimmten Menschen gerichtet sein, sie kann auch allgemein formuliert werden. In meinem Glückstagebuch richte ich die Dankbarkeit gerne an das Leben an sich.

 2 | Was ist mir gut gelungen? – Blick in die Vergangenheit

Die Orientierung hin zu unseren Stärken und weg von den Schwächen ist ein wichtiger Schritt, um glücklicher zu werden. Viel zu oft denken wir viel zu lange darüber nach, was wir alles falsch gemacht haben. Dabei gibt es jeden Tag ganz sicher etwas, das uns richtig gut gelungen ist und worauf wir stolz sein können. Natürlich sind das nicht immer weltbewegende Ereignisse, aber auch die Anerkennung von ganz alltäglichen Herausforderungen ist enorm wichtig für unser Wohlbefinden.

Im Buch „Glück“*sagt Udo:

„Viele Menschen neigen dazu, vor allem ihre Fehler und Schwächen zu sehen, und vergessen dabei auf ihre Stärken. Sieh mal Fridolin an. Er ist ein Esel. Manche würden sagen, dass er faul und stur ist. Für mich aber ist er ein treuer Freund, gutmütig, geduldig, freundlich …“ (…) „Ich sehe seine guten Seiten und nicht seine Fehler. So mache ich es auch bei allen Menschen, die mir begegnen. Und was noch viel wichtiger ist …“

Flo sieht Udo erwartungsvoll an.

„So mache ich es auch bei mir selbst.“

„Warum ist das so wichtig?“, will Flo wissen.

„Weil wir viel zu oft an uns zweifeln und ständig versuchen, alles zu können und in allem gut zu sein – aber das geht nicht.“

Flo setzt sich nachdenklich auf eine kleine Holzbank. (…)

 „Erzähl mir mal von deinem letzten Zeugnis“, fordert Udo sie auf.

„Das hab ich doch schon. Ich hatte einen Dreier in Mathe, einen Zweier in Englisch und sonst lauter Einser“, sagt Flo.

„Siehst du, genau das meine ich“, erwidert Udo aufgeregt.

„Warum sagst du nicht zuerst: ‚Ich hatte einen Einser in Deutsch, einen Einser in Musik‘ und so weiter? Warum beginnst du mit der schlechtesten Note?“

Flo sieht Udo fragend an.

„Wir schauen immer viel zu sehr darauf, was wir nicht können, und zu wenig darauf, was wir gut können.“

„Das verstehe ich nicht“, meint Flo. „Es ist doch wichtig, das zu üben und zu verbessern, was man noch nicht kann.“

„Aber genauso wichtig ist es auch, das zu üben, was man schon gut kann – nur dann kann man zum Meister in einer Sache werden.“

Die regelmäßige, bewusste Auseinandersetzung mit Dingen, die uns gut gelungen sind, hilft uns dabei, unsere Stärken klarer zu sehen und sie auszubauen. Dadurch erhöht sich automatisch auch unser Glücksempfinden. In der Schule frage ich die Kinder jede Woche, was ihnen gut gelungen ist – am Anfang war das für manche Schüler gar nicht so einfach zu beantworten. Dann durften die Mitschüler ein bisschen mithelfen – es ist ja auch ganz angenehm, von anderen zu hören, was man gut gemacht hat. Nach einiger Zeit fiel es aber den Kindern immer leichter, auch selbst zu erzählen, was ihnen gelungen ist.

Niemand ist in allen Dingen gut. Das ist auch nicht nötig. Viel wichtiger ist es herauszufinden, auf welchem Gebiet wir zum Meister, zum Experten werden können.

3 | Was wünsche ich mir? – Blick in die Zukunft

Ein wesentlicher Faktor für unser Glücksempfinden ist es, Sinn oder Bedeutung zu spüren in dem, was wir tun. Dazu ist es ganz wichtig, Wünsche und Ziele zu formulieren.

Die dritte Frage ist so zu verstehen wie ein Brief ans Christkind. In unseren Wünschen müssen wir weder vernünftig noch bescheiden sein. Wünschen kann man sich alles, auch wenn es aus heutiger Sicht unerreichbar erscheint. Wir können uns sowieso nicht aussuchen, was wir uns wünschen; das steckt in uns drinnen. Die Frage fordert uns dazu auf, regelmäßig unsere Herzenswünsche zu formulieren und dadurch ins Bewusstsein rufen.

Im Buch „Zauberhafte Weihnachten“* erzählt Flo:

„Stell dir vor, diesmal hat sogar Mama einen Brief (ans Christkind) geschrieben“, sagt sie immer noch überrascht.

„Das ist schön“, freut sich Udo. „Ich glaube, dass es gerade für Erwachsene wichtig ist, ihre Wünsche immer wieder mal aufzuschreiben.“

Flo lacht.

„Genau das Gleiche hat Mama gesagt. Machst du das auch?“

„Ja, seit vielen Jahren schon“, antwortet Udo nachdenklich.

Flo sieht ihn fragend an und Udo beginnt zu erzählen: „Ich habe auf einer Reise einen sehr interessanten Mann kennengelernt, der hat mir sehr geholfen. Ich war damals mit meinem Leben unzufrieden und wusste selbst nicht genau, warum. Irgendetwas hat mich gestört und meistens habe ich anderen Menschen die Schuld daran gegeben. Der Mann hat mir geraten, mir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zu nehmen, um einen Brief ans Christkind zu schreiben. Sechs Wochen lang!“

„Sechs Wochen lang jeden Tag einen Brief ans Christkind?“, wiederholt Flo ungläubig.

„Ja! Noch dazu mitten im Sommer“, lacht Udo.

„Und? Hast du es gemacht?“, will Flo wissen.

„Ja, natürlich“, erwidert Udo. „Ich war verrückt genug, dem Rat zu folgen, ohne großartig darüber nachzudenken. Ich habe mir ein schönes Schreibheft gekauft und jeden Morgen meine Wünsche aufgeschrieben. Bis das Heft vollgeschrieben war.“

„Und dann?“, kann es Flo nicht erwarten.

„Dann habe ich das Heft weggeräumt und lange nicht mehr daran gedacht. Erst viel später habe ich das Heft wieder zur Hand genommen und darin gelesen. Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, was ich damals geschrieben hatte. Das Erstaunliche aber war, dass sich viele meiner Wünsche inzwischen erfüllt hatten. Es ging mir viel besser und ich war zufrieden mit meinem Leben.“

Flo hat gut zugehört und nimmt sich fest vor, niemals damit aufzuhören, Briefe ans Christkind zu schreiben.

   

Warum 100 Tage?

Es dauert eine Weile, bis sich unser Gehirn an bestimmte Abläufe gewöhnt. Deshalb ist es ganz entscheidend, dass man über einen längeren Zeitraum möglichst regelmäßig schreibt. 100 Tage sind für mich ein schönes Ziel.

Wie und in welcher Form man die 3 Fragen beantwortet, ist ganz individuell – es kann ein einfacher Schreibblock oder ein edles Notizbuch sein. Für alle, die sich mit einer vorgegebenen Struktur leichter tun, gibt es das „Glückstagebuch“[2], in dem nach einer kurzen Einleitung die Tage und die Fragen schon vorformuliert sind. Es geht nicht darum, besonders viel oder originell zu schreiben, es geht darum, sich Zeit zu nehmen, um die Fokussierung auf das Positive und um Beharrlichkeit. Das sind sehr wertvolle Begleiter auf dem Weg zu mehr Lebensglück.

 

 

 

* aus der Reihe „Flo W. voll im Flow“, Manuela Eitler-Sedlak, erhältlich im Buchhandel

     

[1] Sonja Lyubomirsky ist Professorin für Psychologie und erforscht schon seit mehr als 20 Jahren wie Menschen ihr Glücksniveau steigern können.

[2] Das Glückstagebuch kann bestellt werden unter: www.meise-flow.at/shop

 

Der Glücksturm

Viele Wissenschaftler, Philosophen und Forscher haben sich mit der Frage beschäftigt, ob und wieviel der einzelne Mensch zu seinem persönlichen Glück beitragen kann und welche Rolle die äußeren Umstände und die Veranlagung spielen.

Warum scheint bei manchen Menschen alles so mühelos und einfach zu laufen und bei anderen geht immer alles schief?

Laut Sonja Lyubomirsky, Psychologin und weltweit anerkannte Glücksforscherin, haben wir tatsächlich eine angeborene, unterschiedlich hohe Kompetenz für das Glücklich Sein. Sie nennt das den „Glücksfixpunkt“, der von Geburt an in uns festgelegt ist und etwa 50% unseres Glücksniveaus ausmacht. Nur ca. 10% unseres Glücksempfindens hängen von unseren Lebensumständen, also Gesundheit, Finanzen, Familiensituation und so weiter ab. Die verbleibenden 40% hängen von unserer eigenen, persönlichen Einstellung und allen Aktivitäten, die wir bewusst setzen, ab.

Natürlich können wir diese Zahlen jetzt in Frage stellen und darüber diskutieren, ob es nun wirklich immer genau zu 50% auf die Veranlagung ankommt oder ob die äußeren Umstände nicht doch mehr Wirkung zeigen – wahrscheinlich gibt es darauf so viele verschiedene Antworten wie es Menschen gibt.

Das Schöne an diesen Forschungsergebnissen für mich persönlich ist, dass wir 40%, also doch einen großen Teil, unseres Glücks selbst in der Hand haben. Für manche Menschen ist es einfacher, für manche vielleicht etwas schwieriger – aber jeder Mensch kann sehr viel selbst zu seinem eigenen Wohlbefinden und zu seiner Lebenszufriedenheit beitragen.

In meinem neuen Buch „Flo W. voll im Flow – Glück“ erzählt Flo von ihrem neuen Unterrichtsfach Glück und stellt die Frage „Kann man glücklich sein lernen?“

Der Pilot Udo Überflieger ist überzeugt davon und erklärt das alles anhand eines Turmes, den er aus bunten Bausteinen baut. Der untere Teil ist vorgegeben und bei jedem Menschen unterschiedlich hoch.

„Aber das Wichtigste kommt jetzt“, erklärt Udo und holt noch einige bunte Bausteine hervor, die er wiederum auf dem Turm platziert.

 „Diese Bausteine kannst du selbst auf den Turm stellen, wann immer du willst. Es liegt an dir, wie hoch der Turm am Ende wirklich wird.“

„Und wofür stehen diese Bausteine, die ich selber draufstellen kann?“, fragt Flo, die langsam versteht, worauf Udo hinauswill.

„Für deine Gedanken, Worte und Taten. Alles, was du denkst, sagst und tust, kann dazu beitragen, dass der Turm höher wird. Ein nettes Wort zu deiner Mama, ein Dankeschön. Wenn du etwas tust, das dir Freude macht. Wenn du anderen zuhörst und ihnen sagst, dass du sie gern hast. Wenn du weniger jammerst und versuchst, dich über kleine Dinge zu freuen …“

„Oder wenn ich mit meinem Bruder spiele?“

„Ja, genau“, bestätigt Udo. „Du kannst selbst beeinflussen, wie glücklich du bist – und natürlich kann man auch lernen, wie man das macht. Ich bin sicher, euer Glückstrainer hat einige gute Ideen dazu. Er kann euch nicht glücklich machen, aber er kann euch zeigen, wie ihr euch selbst glücklich machen könnt.“

Fest steht, dass jeder einzelne an jedem Tag für sich selbst und in seiner Umgebung etwas beitragen kann, um seinen persönlichen Glücksturm ein Stück höher zu bauen.

In einer Schulklasse habe ich vor kurzem zwei unterschiedlich hohe Glückstürme für Felix und Emil (erfunden) aufgebaut. Die Kinder sollten sich dann überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, die beiden Türme höher zu bauen. Am Ende waren die Türme fast gleich hoch. Die Kinder haben sehr gut verstanden, worum es geht. Sie haben auch erkannt, dass es für Emil  viel mehr Aufwand war, den Turm höher zu bauen, aber dass auch Felix mit dem an sich schon hohen Glücksniveau nicht tatenlos sein kann.

Das Glücksforscher-Projekt

Für die Kinder der 4. Klasse Volksschule ist das heute ein ganz besonderer Tag. Schon vor zwei Wochen hatten wir im Glücksuntericht besprochen, eine Befragung zum Thema „Glück“ im Ort zu machen. Die Kinder fanden sich zu kleinen Gruppen zusammen und hatten viele Ideen, wohin sie gehen und welche Leute sie befragen könnten. Mit der Klassenlehrerin stellten sie einen Fragebogen zusammen und übten im Deutschunterricht Interview-Situationen.

Jetzt treffen wir uns in der Schule, um die Begleitpersonen, Eltern und Großeltern, zu informieren, und dann geht es los. Zu zweit oder zu dritt gehen die Kinder in die Apotheke, in ein Kaffeehaus, zum Bürgermeister und zum Pfarrer. Eine Gruppe geht zum Zahnarzt und zur Polizei, eine andere in den Kindergarten und zum Friseur. Auch im Blumengeschäft, im Altenpflegeheim, beim Arzt und im Lebensmittelgeschäft stellen die Kinder den Menschen diese zwei Fragen:

„Können Sie uns sagen, was Sie glücklich macht?“ und

„Wann haben Sie zuletzt einen Glücksmoment gehabt?“

Nach knapp zwei Stunden treffen wir uns wieder in der Schule und die Kinder erzählen, wie es ihnen ergangen ist. Viele positive Erfahrungen überwiegen, einige wenige Passanten hatten keine Zeit, aber die überaus meisten haben sich über die Befragung gefreut und den Kindern geduldig und ehrlich geantwortet. Eine Frau in einem Büro sagte zu den Kindern auf die Frage nach ihrem letzten Glücksmoment: „Das war gerade eben, als ihr zur Tür herein gekommen seid!“

Die Antworten, die die Kinder auf die beiden Fragen erhalten haben, versuchen sie nun, zu sortieren und zu ordnen. Die Kinder schreiben Begriffe und Stichwörter auf kleine Kärtchen und legen sie in die Raummitte. Danach versuchen wir gemeinsam, die Kärtchen dem PERMA-Modell* von Martin Seligman zuzuordnen, um zu überprüfen, ob es für jeden der 5 Bereiche passende Antworten gibt.

Die Zuordnung ist gar nicht einfach, manche Begriffe passen zu mehreren Bereichen und wir diskutieren darüber, wohin das Kärtchen besser passt. Am Ende sind wir aber alle mit dem Ergebnis zufrieden. Wir konnten zu allen 5 Elementen, die zum Wohlbefinden beitragen, viele Begriffe finden und das PERMA Modell wird somit erfahrbar für uns alle.

Noch wichtiger aber scheint mir, dass die Kinder mit viel Freude und Begeisterung gemeinsam unterwegs waren, sich engagiert haben, um zu einem Ziel zu kommen – das macht doch Sinn, oder?

* Mit dem PERMA Modell beschreibt Martin Seligman fünf Elemente, die wichtig sind für Menschen, um Lebenszufriedenheit und langfristiges Wohlbefinden zu erreichen:

P – Positive Gefühle

E – Engagement

R – Relationships – gelungene Beziehungen

M – Meaning – Sinn, Werte

A – Accomplishment – Zielerreichung

Mehr zum PERMA-Modell gibt es hier.

 

Kann man Glück lernen?

 

„Haben wir heute Glück?“,

fragen mich ein paar Kinder auf dem Weg in die Schule. Eine schöne Begrüßung und eine wunderschöne Aufgabe, der ich jede Woche in der Volksschule Purbach nachgehen darf. Die Kinder meinen das „Schulfach Glück“, das schon das dritte Jahr als Schulprojekt läuft und regelmäßig in den 3. und 4. Klassen stattfindet. In diesen Einheiten lernen die Kinder etwas, das nicht abzuprüfen und mit Noten zu bewerten ist wie Rechnen, Schreiben und Sachunterricht. Sie lernen den wertschätzenden Umgang untereinander, Vertrauen zu sich selbst und den anderen, sie lernen ihre eigenen Stärken kennen und die der Mitschüler schätzen.

All das fließt natürlich auch in den allgemeinen Unterricht mit der Klassenlehrerin mit ein. Aber „es ist etwas anderes, wenn man speziell dafür zwei Stunden Zeit hat“, bestätigen auch die Lehrerinnen.

Das Grundkonzept „Schulfach Glück“ basiert auf einem Modell, dass der bekannte Psychologe und Glücksforscher Martin Seligman entwickelt hat. Er geht davon aus, dass man für ein gelungenes Leben sowohl kurzfristige Glückserlebnisse, als auch Lebenszufriedenheit bzw. Wohlbefinden braucht. In seiner langjährigen Forschung hat er herausgefunden, dass für das Wohlbefinden 5 Elemente besonders wichtig sind – positive Gefühle (P), Engagement und Aktivität (E), gelungene Beziehungen zu anderen Menschen (R, “relationships”), Sinn und Werte (M, “meaning”) und Zielerreichung/Erfolg (A, “accomplishment”).

  

Auf Grundlage dieses PERMA Systems hat Oberstudiendirektor Ernst-Fritz-Schubert 2007 das „Schulfach Glück“ entwickelt. In 6 Modulen werden den SchülerInnen positive Schlüsselerlebnisse vermittelt mit dem Ziel, alle fünf Elemente zu stärken und dadurch das individuelle Wohlbefinden langfristig zu erhöhen. Sie erfahren sich als wirksam und verantwortlich. Sie lernen, anderen zu vertrauen und sich in der Gemeinschaft wohl zu fühlen.

Ich bin überzeugt davon, dass es für unsere Kinder wichtig ist, zu erfahren, dass Glück erlernbar ist, und dass sie es durch persönliche Erfahrungen stärken und festigen können. Deshalb habe ich den Lehrgang „Schulfach Glück“ absolviert, in dem das Wissen sehr praxisorientiert vermittelt und dadurch viele Möglichkeiten geboten wurden, die Inhalte den Kindern weiterzugeben.

Persönlich sehe ich darin eine wunderbare Möglichkeit, im Schulalltag Themen weiterzugeben, die für das spätere Leben enorm wichtig sind. Es geht vor allem darum, Vertrauen zu stärken, die eigenen Fähigkeiten und Stärken zu erkennen und zu fördern, Herausforderungen zu meistern, sowie Kreativität und eigene Lösungswege zu entdecken. Jedes einzelne Kind hat ganz spezielle Fähigkeiten, die ans Licht gebracht werden können.

     

Die Spiele und Übungen stammen aus sehr unterschiedlichen Bereichen und ermöglichen es den Kindern, ihre eigene Ausdrucksweise zu finden. Es geht nicht darum, richtige Antworten zu finden und schlaue Ratschläge zu geben – es geht um gemeinsames Erleben, Lachen, spielerisch Lösungen zu finden und sich gegenseitig zu unterstützen. Das alles geht nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit, Vertrauen und den Mut, Fehler zu machen und wieder aufzustehen. Auch – und gerade wenn – eine Übung überhaupt nicht so läuft wie geplant, kann man viel daraus lernen.

Ziel des Glücksunterrichtes ist es, dass die Kinder durch praktische Erfahrungen Glücksmomente selbst erzeugen, spüren und auch benennen lernen und diese dann in ihren Alltag integrieren können.

Für das Schulfach Glück bekommen die Kinder keine Noten und man kann auch nicht zweifelsfrei feststellen, welchen Nutzen diese Stunden für ihr weiteres Leben haben – man kann es nur erahnen. „Mit einem Koffer voller Glück geht meine Reise weiter…“ schrieb mir ein Mädchen der 4. Klasse zum Abschied. Genau das ist es, was ich ihr und allen anderen Kindern wünsche – einen Koffer voller Erfahrungen und Werkzeugen, aus denen sie schöpfen können, wann immer es gut für sie ist.

 

Unterrichten mit Kopf, Herz und Händen

Ich durfte vor einiger Zeit im Rahmen einer großen Veranstaltung für Kindergarten-PädagogInnen und LehrerInnen einen Workshop zum Thema 

“Wie man den glückbringenden „Flow“-Zustand bei Kindern erhalten und fördern kann” 

gestalten. Ich habe in diesen zwei Stunden Einiges über die Hintergründe meines ersten Buches erzählt und auch praktische Übungen dazu gemacht. Es war ein schönes Erlebnis für mich, die Freude und Energie zu spüren, die die 70 TeilnehmerInnen an dem Thema, aber auch an ihrer Arbeit selbst haben. Es gibt viele PädagogInnen, die eine wunderbare Arbeit für und mit unseren Kindern leisten und davon bin ich von Herzen dankbar. Es ist ein wichtiger Beitrag nicht nur für uns Eltern, sondern auch für die ganze Gesellschaft, in die die Kinder hineinwachsen und für die sie später einen Beitrag leisten sollen.

  

Auch in der Volksschule in Purbach (Österreich) , wo ich jeden Dienstag das “Schulfach Glück” gestalte, bekomme ich immer wieder Einblicke in die großartige Arbeit der LehrerInnen. Sie machen sich Gedanken um jeden einzelnen Schüler und versuchen, die jeweiligen Bedürfnisse bestmöglich zu erfüllen – auch wenn das nicht immer einfach ist. Sie hören zu, nehmen sich Zeit und vermitteln den Kindern ein Gefühl von Sicherheit. Sie gehen auf die jeweiligen Stärken und Schwächen der Kinder ein und ermutigen sie, wo es möglich ist. Sie bauen in den, meist vier, Jahren, in denen sie eine Klasse begleiten, eine ehrliche Beziehung zu den Kindern auf – und werden vermisst, wenn sie eine Weile nicht da sind. Nur über solche Beziehungen ist echtes Lernen möglich, und damit meine ich viel mehr als Lesen, Schreiben und Rechnen…

Es ist gut, zu wissen, dass unsere Kinder nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit den Händen und vor allem mit dem Herzen lernen dürfen. Danke!

Flow – Mit Kopf, Herz und Händen

Es gibt Momente, in denen wir vollkommen aufgehen in dem, was wir gerade tun. Alles läuft scheinbar wie von selbst und wir versinken in der Tätigkeit und nehmen nicht mehr wahr, was um uns herum passiert.

Diesen Zustand nennt man „Flow“.

Der Begriff stammt von dem in den USA lehrenden Ungarn Mihály Csíkszentmihályi. Er hat viele Forschungen mit Sportlern und Künstlern durchgeführt, um herauszufinden, was Menschen brauchen, um Flow zu erleben. Das Besondere an diesem Zustand ist, dass ein Mensch besonders glücklich ist und gleichzeitig sehr hohe Leistungen erzielen kann. Es ist ein Bewusstseinszustand, in dem das Fühlen, das Denken und das Handeln in Einklang sind und gemeinsam ein Ziel verfolgen. Dadurch werden die Hindernisse, die uns im normalen Alltag oft viel Kraft und Energie kosten, überwunden und unser Tun verläuft absolut reibungslos.

Die Fähigkeit, im Flow zu sein, hat jeder Mensch in sich. Sie ist uns angeboren.

Kleine Kinder geraten sehr leicht in diesen Zustand, wenn sie nicht durch äußere Ablenkungen gestört werden. Ich habe das schon oft bei meinen eigenen Kindern oder auch auf Spielplätzen beobachtet. Wenn Kinder zum Beispiel in einer Sandkiste sind und frei mit Sand und Wasser experimentieren dürfen, oder wenn sie sich gemeinsam Rollenspiele ausdenken. Kinder nehmen ihr Spiel sehr ernst, für sie verschwimmt die Grenze zwischen „Arbeit“ und „Spiel“. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, wenn sie manchmal heftig reagieren, wenn sie in ihrem Tun, im Flow, unterbrochen werden. Sie reagieren wütend oder beinahe aggressiv, weil sie aus einem sehr angenehmen Gefühlszustand herausgerissen werden. Mir persönlich hat diese Erkenntnis sehr geholfen, wenn es darum geht, meine eigenen Kinder zu verstehen.

Aber nicht nur Kinder können diesen glückbringenden Flow-Zustand mühelos erreichen, auch jeder Erwachsene erlebt ihn immer wieder ganz natürlich. Manche Menschen beim Sport, andere bei einer kreativen Tätigkeit, in der Natur oder beim kochen. Meistens merken wir erst im Nachhinein, dass wir vollkommen „bei der Sache“ waren und alles wie von selbst gelaufen ist. Leider passiert das im Berufsalltag eher selten und auch in der Freizeit gibt es immer wieder störende Faktoren.

Ich habe mich im Rahmen einer Ausbildung bei Prof. Dr. Manfred Winterheller eingehend damit beschäftigt, wie wir diesen Flow Zustand wieder mehr und öfter erleben können und dadurch glücklicher und erfolgreicher werden. Dabei geht es um weit mehr als um flüchtige glückliche Erlebnisse. Es geht darum, für uns selbst und in unserem beruflichen und privaten Umfeld Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer es möglich ist, alleine oder gemeinsam mit anderen in Flow zu kommen. Wenn das passiert, verschwinden viele alltägliche Konflikte und Reibungen und vieles beginnt einfach zu „zu fließen“.

  

Zuerst ist es wichtig, herauszufinden, was uns Freude macht. Dabei sollten wir nicht an der Oberfläche bleiben, sondern tief in unserem Inneren spüren, bei welcher Tätigkeit wir uns so richtig lebendig fühlen.

Außerdem ist es von großer Bedeutung, dass unsere Fähigkeiten und die Herausforderung, der wir uns stellen, in Balance sind. Wenn die Herausforderung zu hoch ist, fühlen wir uns überfordert, wenn sie zu gering ist, fühlen wir uns gelangweilt. Nur wenn beides zusammenpasst und wir uns in einem angemessenen Maß fordern, kann Flow entstehen.

Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass wir uns auf die Tätigkeit voll und ganz einlassen und uns nicht durch äußere Ablenkungen, wie Handy, Fernsehen usw. stören lassen.

Schließlich brauchen wir eine tiefe Bedeutung, ein Ziel, das wir mit unserem Tun verfolgen. Es geht dabei nicht vordergründig um die Erreichung des Ziels, sondern darum, dass wir in unserer Tätigkeit Sinn sehen.

Wenn diese vier Faktoren zusammenspielen, dann kann Flow entstehen. In meinem Buch „Flo W. voll im Flow“ habe ich versucht, diese und noch viele weitere Grundlagen zum Thema „Flow“ in Form einer Geschichte zu erzählen, die Kindern und Erwachsenen einen Einblick in eine Welt gibt, die für viele Menschen wünschenswert ist…

 

 

Aus dem Buch:

Die zweite magische Kraft, die Flo so besonders macht, ist ihre Fähigkeit, voll und ganz in dem aufzugehen, was sie gerade tut. Wenn sie von einer Sache wirklich begeistert ist, vergisst sie alles um sich herum und konzentriert sich nur auf diese eine Sache. Flo hält sich gerne im Garten der Caretta auf, beobachtet die Schmetterlinge und zeichnet alles, was sie sieht, ganz genau. Sie hat auch schon einige Male miterlebt, wie sich eine Raupe verpuppt hat und wenige Tage später daraus ein wundervoller Schmetterling geschlüpft ist. Das waren großartige Erlebnisse für Flo. Manchmal ist sie so versunken in ihre Beobachtungen und ins Zeichnen, dass sie nicht einmal hört, wenn sie jemand ruft.

Ihre Mama findet das wunderbar und meint dann: „Flo ist wieder mal im Flow.“ Als Flo sie einmal fragte, was das heißen soll, erklärte sie: „Das bedeutet, dass dein Kopf, dein Herz und deine Hände perfekt zusammenspielen. Dadurch werden deine Zeichnungen so gut und außerdem bist du in diesen Momenten zufrieden und glücklich. Stimmt doch, oder?“

Flo stimmte Filippa lachend zu und wiederholte:

 „Mein Kopf, mein Herz und meine Hände spielen perfekt zusammen. Das klingt schön!“

 „Ja, das ist auch wunderschön“, bestätigte ihre Mama. „Bewahre dir diese wunderbare Fähigkeit, Floriane. Es gibt nicht viele Menschen, die das können. Es ist ein großes Glück, wenn du etwas findest, das dein Herz erfüllt und das dir so viel Freude bereitet.“